Die Kältetherapie hilft gegen Entzündungen, Rheuma und soll den Fettstoffwechsel positiv beeinflussen. Hilft diese Therapie wirklich oder ist das nur ein Mythos? Ein Einblick in die Kälte, geschrieben von zwei Gymnasiasten.
Eine Reportage von Alexandru Bindschedler und Jules Nauer

Wir, die Verfasser dieser Reportage, wollen herausfinden, wie gut Kältetherapie funktioniert. Dafür testen wir zwei verschiedene Methoden. Zuerst gehen wir in eine Kältekammer, dort werden wir nett von Nicolas Lutz empfangen, der uns durch den Prozess begleitet und uns instruiert. Nicolas Lutz ist Biohacking Coach und Apotheker, er arbeitet beim Health Center Kirchenfeld und ist Experte, wenn’s ums Thema Kältetherapie geht. Damit man die Kältekammer betreten darf, muss man Gesundheitsfragen beantworten, mit denen sichergestellt wird, dass richtig reagiert werden kann, falls es zu Nebenwirkungen kommen sollte. Allerdings ist das nicht sehr häufig der Fall. Bei uns ist alles im grünen Bereich und wir gehen uns umziehen. Wir müssen Handschuhe, Finken und ein Stirnband anziehen. Diese beschützen die Extremitäten vor der enormen Kälte. Jules betritt mutig die Kältekammer als Erster, während Alexandru ein Foto macht. Erstaunlicherweise fühlt es sich erstmal gar nicht so kalt an, allerdings ändert sich das nach 90 Sekunden umgehend und man beginnt zu schlottern. Sofort versucht man, das Schlottern zu stoppen, allerdings klappt das nicht. Während man einatmet, spürt man, wie die minus 85°C kalte Luft in die Lunge einströmt. Dies kann sehr unangenehm werden, daher wird empfohlen, beim ersten Mal eine Maske zu tragen. Kommt man nach 3 Minuten aus der Kammer hinaus, beginnt die Haut ein bisschen zu kribbeln. Es fühlt sich an, wie wenn die Haut auftauen würde.
Danach kann man sich umziehen und mit voller Energie zurück in den Alltag gehen. Jedoch bleiben wir noch ein bisschen dort, um ein kurzes Interview mit Nicolas Lutz zu führen. Schon während des Interviews, bemerken wir, dass wir sehr wach und aufmerksam dem Gespräch folgen können. Auch noch eine Stunde später, als wir schon wieder zuhause sind, fühlen wir uns immer noch sehr energiegeladen.
«Damit Kältetherapie wirklich einen Effekt hat, sollte man mindestens 2-3 mal pro Woche über mehrere Wochen hinweg die Kältekammer oder das Eisbad benutzen»

Ein paar Tage später gehen wir an einem sonnigen, aber kalten Tag an die Aare. Dort probieren wir noch die zweite Methode der Kältetherapie aus. An diesem Tag beträgt die Wassertemperatur der Aare 7,5°C, was perfekt ist für Anfänger. Als wir angekommen sind, gehen wir uns umziehen und bereiten uns mental aufs nächste Abenteuer vor. Wir zählen auf drei und gehen gleichzeitig die Treppe runter ins kalte Wasser. In diesem Augenblick erleiden wir beide einen kleinen Kälteschock. Wir merken, wie der Puls in die Höhe schiesst und es kurz schwieriger wird, regelmässig zu atmen. Zum Glück beruhigen wir uns aber schnell und der Körper scheint sich an die Kälte zu gewöhnen. Wir bleiben so noch 3 Minuten im Wasser und begeben uns dann langsam wieder hinaus. Wir nehmen schnell unser Frottiertuch und trocknen uns ab. Schon wieder, ein Kribbeln auf der Haut, nur dass es diesmal viel stärker ist als bei der Eiskammer. Allerdings geht dieses Kribbeln nach wenigen Minuten wieder weg. Ähnlich wie bei der Kältekammer fühlen wir uns nach dem Eisbad sehr aufgeweckt und energiegeladen.
Kastentext I (Was muss man bei der Kältetherapie beachten):
Beim Eisbad muss man besonders darauf achten, dass man seine Extremitäten nicht
zu lange ins Wasser taucht. Das gilt vor allem für den Kopf, den sollte man
nicht ins eiskalte Wasser tauchen. Was uns persönlich auch sehr geholfen hat:
Die Hände nicht ins Wasser halten, und wenn es nicht anders geht, nur so kurz
wie nötig. Diese zwei Körperteile kann man einfach aus dem Wasser halten, mit
den Füssen sieht es aber anders aus. Unsere Empfehlung ist, die Füsse die ganze
Zeit in Bewegung zu halten. Wir haben auch Leute getroffen, die sich
Neoprenschuhe angezogen haben, um ihre Füsse warm zu halten.
Man sollte ebenfalls darauf achten, dass man ein Tuch mitnimmt, sodass man sich
direkt abtrocknen kann. Ansonsten kann es sich kontraproduktiv auswirken und das
Immunsystem schwächen, so dass man krank wird.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass man vielleicht bei 8-9° Wassertemperatur
beginnt und es nicht direkt bei kühlen 2° probiert. Denn jede tiefere Temperatur
fühlt sich nochmals viel kälter an.
Bei der Eiskammer ist das Wichtigste, dass man tief atmet und sich nicht zu viel
zutrauen will. Wenn man zu fest schlottert oder einem das Atmen Schmerzen
zubereitet, muss man die Kammer sofort verlassen.
Am besten steigert man sich selbst jede Woche ein bisschen. Man beginnt mit 2
Minuten und bleibt dann jedes Mal eine halbe Minute länger im Eisbad oder in der
Kältekammer. Es ist unglaublich, wie schnell sich der Körper an die Kälte
gewöhnt.
Unterschied zwischen dem Eisbaden und der Eiskammer
«Der grösste Vorteil der Kältekammer ist vor allem, dass die Verweilzeit sehr kurz ist», sagt Nicolas Lutz. Man erreiche auch bei der Entzündungshemmung ein anderes Level als beim Eisbad. Dafür habe man beim Eisbad aber das Erlebnis in der Natur. «Beim Eisbaden hat man eine Challenge, weil man noch das Ganze drumherum hat. Die Kältekammer ist aber fokussierter und kürzer», so Nicolas Lutz.
Uns persönlich hat das Eisbad mehr Spass gemacht, obwohl sich das Wasser viel kälter angefühlt hat als die Luft in der Eiskammer. Dies liegt daran, dass Wasser ein viel dichteres Medium ist als Luft und daher die Kälte im Eisbad direkt auf die Haut prallt. Der Hauptpunkt, wieso uns das Eisbad mehr gefallen hat: Beim Eisbaden ist das Erlebnis ein anderes, wie Nicolas Lutz erwähnt hat. Die Challenge die man mit diesem Erlebnis verbindet, hat uns mehr Spass gemacht. Uns hat aber auch die Kältekammer extremen Spass gemacht, weil wir etwas Neues testen konnten. Wir fühlten uns danach über eine lange Zeit wach und erfrischt. Es macht den Eindruck, dass die Wirkung nach der Kältekammer länger anhält als beim Eisbaden.
«Die Hauptwirkung der Kältekammer ist das Herunterregulieren der Entzündungsparameter, wie auch des Tumor-Necrosis -Faktors.»
Wie wirkt sich die Kältetherapie auf den Körper aus?
«Die Hauptwirkung der Kältekammer ist, das weiss man aus der Wissenschaft, das Herunterregulieren der Entzündungsparameter, wie auch des Tumor-Necrosis Faktors», sagt Nicolas Lutz. Die meisten Besucher in der Kältekammer seien laut Nicolas Lutz auch Leute, die Schmerzen haben. Ein anderer Teil seien Menschen mit Fatigue-Syndrom, also Leute mit chronischen Schmerzen oder solche mit Long Covid. Diese Menschen suchten etwas Neues, weil sie die Medikamente nicht vertragen. «Weitere Besucher sind vor allem Sportler», sagt Nicolas Lutz, «die denken, dass sie dadurch ihre Leistung oder ihre Erholungsphase verbessern können.»
Das Herunterregulieren der Entzündungsparameter funktioniert gemäss unseren Recherchen auf Sport-Wissenschaftlichen Webseiten wie folgt: Bei der Kältetherapie verengen sich die Blutgefässe. Das behindert das Einfliessen von Entzündungszellen. Schmerzen werden durch die Kälte reduziert, weil die Nerven verlangsamt werden. Deshalb legt man auch Cool Packs auf Verletzungen oder Verstauchungen. Das regelmässige Eisbaden hat auch eine Auswirkung auf das Immunsystem. Das sagt auch eine 36-jährige Eisbaderin, die wir an der Aare interviewen. «Was ich gespürt habe, ist sicher ein gutes Immunsystem. Ich war nie krank, seitdem ich das mache, obwohl rund um mich Leute immer wieder krank sind», sagt sie. Bei der Kältetherapie kommt es zum Anstieg von verschiedenen Immunzellen und Immuneiweissen, deshalb erhält man dadurch ein besseres Immunsystem. Man kann jedoch nicht von einmaligem Eisbaden oder Besuch der Eiskammer eine Stärkung des Immunsystems erwarten.
Auch bei Depressionen soll die Kältetherapie helfen. Nicolas Lutz sagt dazu: «Man kann auch beweisen, dass es im Hirn zur Ausschüttung von den beiden Neurotransmittern Serotonin und Dopamin kommt. Dopamin ist zum Schlafen wichtig und Serotonin hilft bei Depressionen.» Bei Depressionen seien es eigentlich drei Hormone. Es finde ein Wechselspiel zwischen den Hormonen Noradrenalin, Dopamin und Serotonin statt. Depressive Personen haben oft einen Mangel dieser Hormone und durch die Kältetherapie kommt es zur Ausschüttung dieser Hormone. «Depressionen behandelt man aber nicht nur mit der Kältekammer, so wie man nicht nur ein Medikament nehmen kann oder nur zum Psychotherapeuten gehen kann», sagt der Biohacking Coach. Sicher helfe es den Leuten auch, dass sie bei der Kältetherapie, im Gegensatz zu anderen Therapien, etwas am Körper spüren.
Bei dem Gedanken fast ohne Kleider bei tiefen Temperaturen zu baden, kommt natürlich auch die Frage auf, ob das gefährlich sei und ob es Nebenwirkungen gebe. «Direkte Nebenwirkungen gibt es nicht», sagt der Experte Nicolas Lutz. «Wenn man jedoch eine Krankheit hat, wie ein Morbus Raynaud, das ist eine Durchblutungsstörung in den Händen, dann sollte man keine Kältetherapie machen.» Auch wenn man auf Kälte nicht gut reagiert, sei das sicherlich nicht optimal. Direkte Nebenwirkungen seien jedoch keine bekannt.
Auch wir spüren nach der Kältekammer und nach dem Eisbaden Auswirkungen auf den Körper. Wir merken eine Ausschüttung des Glückshormons Dopamin, weil wir uns motivierter und energiereicher fühlen. Allerdings sagt Nicolas Lutz: «Damit Kältetherapie wirklich einen Effekt hat, sollte man mindestens 2 bis 3 mal pro Woche über mehrere Wochen hinweg die Kältekammer oder das Eisbad benutzen».

Kastentext II Ausschnitte aus dem Interview mit Nicolas Lutz:
Wie sind Sie dazu gekommen, Kältetherapie anzubieten?
Ich habe eine Kollegin, die das selbst ausprobiert hat und die mir das gezeigt
hat. Ich habe dann auch selbst Eisbäder genommen und verschiedene Kältekammern
getestet. Das Interesse kam so vor etwa zweieinhalb Jahren.
Nutzen Sie die Kammer auch selbst?
Ja, ich versuche sie vor oder nach der Fitness zu nutzen. Je nachdem wie viel
ich trainiere, nutze ich die Kältekammer etwa zwei-bis dreimal pro Woche.
In den letzten Jahren hat der Trend rund ums Eisbaden enorm zugenommen. Warum
ist dieser Trend da?
Das ist schwierig zu sagen, denn es gibt immer wieder so Trends, die kommen. Ich
denke, dass Personen wie Wim Hoff, das ist der, der über Atmung spricht, einen
Einfluss auf die Menschen haben und sie interessieren. Zweitens denke ich, dass
die Leute immer mehr mit Wissenschaft gesünder leben möchten, anstatt wie früher
nur die Krankheit zu therapieren. Der Oberbegriff dafür ist Biohacking. Den
Trend gibt es auch beim Essen, wo man versucht, sich gesünder zu ernähren.
Denken Sie, dieser Trend wird weiter zu- oder wieder abnehmen?
Ich denke generell wird der Trend zunehmen aus zwei Gründen: Erstens, weil
Gesundheit den Menschen sehr wichtig ist. Zweitens haben wir immer einen
grösseren Bevölkerungsteil, der älter wird und Schmerzen oder andere Beschwerden
hat, der aber nicht nur auf traditionelle Medizin setzt, sondern selbst etwas
unternehmen möchte. Von dem her denke ich, nimmt das eher zu.
Kritik an der Kältetherapie?
Trotz des Trends rund um die Kältetherapie gibt es daran Kritik. Studien über die Kältekammer seien nicht überzeugend, weil sie zu wenige Testpersonen untersucht haben und weil man nicht weiss, ob eine Verbesserungen der Gesundheit wirklich auf die Kältekammer zurückzuführen sind. Man weiss auch nicht genau, ob sich die Probleme, die man mit der Kältetherapie versucht zu bewältigen, auf lange Zeit verbessern. Nicolas Lutz meint dazu: «Es wäre schwierig, so viele Leute zu finden, die jetzt während einem halben Jahr nur die Eiskammer besuchen und sonst nichts machen.» Patienten die beispielsweise chronische Schmerzen haben, machen natürlich selten nur Kältetherapie und sonst nichts. Grosse Studien, die die Wirksamkeit nachweisen könnten, sollen mehrere Millionen Franken kosten und da kommt die Frage auf: Wer will so etwas finanzieren, wenn der Aufwand so gross ist. Es sei bei all diesen Methoden schwierig, die Wirksamkeit nachzuweisen. «Zum Beispiel auch bei der Akupunktur», erwähnt Nicolas Lutz.
Allerdings sind wir mit der Kritik nicht einverstanden. Die Wirksamkeit der Kältetherapie variiert sicherlich von Person zu Person. Die Kältetherapie einmal auszuprobieren, schadet aber nicht und es ist sicherlich eine großartige Erfahrung. Daher ist die Kältetherapie in unseren Augen definitiv kein Mythos! Persönlich empfanden wir bei der Kältetherapie ein Glücksgefühl und fühlten uns danach mental wach und aktiv. Voraussetzung ist ein gesunder Kreislauf und eine Angewöhnung beim Eisbaden. Spannend sind die positiven Berichte als Bestätigung bei der Regeneration nach Sport und zur Linderung von Schmerzen. Wir machen es wieder!